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Könnte einer von ihnen sie verstehen, selbst wenn er sich bemühen würde? Ich bin über dreißig.

Die Pubertät ist eine anstrengende Zeit für Eltern. Es ist eine besondere Zeit der Suche für unsere Kinder. Es ist aber auch die Zeit, wenn Eltern ihren Teenager-Kindern noch Grenzen setzen müssen, weil sie ja doch noch für sie verantwortlich sind. Es ist aber auch die Zeit, wo die Grenzen der Kindheit nicht mehr passen und die neuen Grenzen ausgelotet werden müssen. Und das Tag für Tag. Klingt anstrengend? Ja, ist es auch, aber für die gesunde Entwicklung unserer Kinder absolut notwendig. Es ist notwendig, dass sie anders sein wollen als ihre Eltern und das auch äußerlich zeigen.

Da fällt mir die Geschichte einer Freundin ein, die sich allerdings schon vor etlichen Jahren abspielte. Beide Elternteile waren Orchestermusiker, hörten aber in ihrer Freizeit gerne Rockmusik. Sie hatten eine fünfzehnjährige Tochter, mit der ich zum Geburtstag in ein (damals gab es das noch) Schallplattengeschäft ging. Sie wählte eine CD von Chopin und ich fragte verwundert, ob sie denn nicht lieber etwas Moderneres, Rockiges hören möchte. Da brach es aus tiefstem Herzen aus ihr heraus: „Würde ich ja gerne, aber kann ich nicht, weil das Mama und Papa hören.“ Das ist eine Zwickmühle, das ist die Pubertät.

Aber jetzt zur heutigen Geschichte von Reiner Kunze. Wie immer versuche sie laut zu lesen und markiere vielleicht Stellen oder Worte, die dir auffallen oder dich berühren. Denk nicht lange darüber nach, sondern lass deine Hand das instinktiv machen und dann schau, was dabei herauskommt.

Denkanstöße

Wie geht es dir jetzt nach dem Lesen? Ich bin schon bei dem Niagara-Fall-Lebensgefühl hängen geblieben. Was könnte das wohl für ein Gefühl sein. Alles im Fluss, ja, aber dieser riesige Wasserfall plätschert nicht dahin, er tost, braust, stürzt sich ins Leben. Schön, nicht?

Und was machen wir aus der Überschallverdrängung unangenehmer logischer Schlüsse? Wir als Eltern haben ja bei einem fünfzehnjährigen Teenager schon fünfzehn Jahre Begleitung, „Erziehung“ hinter uns. Wir haben schon fünfzehn Jahre lang versucht, ja was eigentlich? Was hast du versucht, deinen Kindern mitzugeben, oder wenn du noch keine Kinder in diesem Alter hast: Was, welche logischen Schlüsse möchtest du ihnen auf dem Weg zum Erwachsensein mitgeben, die sie dann in der Pubertät verdrängen können?

Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit den Nichtigkeiten des Lebens: Aufräumen, Putzen usw. Also das ist ein Punkt, der mich auch jetzt noch in der Schon-lange-nicht-mehr-Pubertät betrifft. Ich mochte mich eigentlich nie bzw. möchte mich immer noch nicht mit diesen Nichtigkeiten beschäftigen. Was für eine Zeitverschwendung! Zeit, die man wirklich für interessanter Dinge verwenden könnte. Im Text spricht der Autor von hochragenden Gedanken. Na ja, soweit würde ich jetzt nicht mehr gehen, aber es gibt wirklich sehr vieles, was eindeutig mehr Lust und Freude bereitet als Putzen. Dieser Konflikt zwischen Pflicht und Neigung beginnt ja eigentlich schon im Kindesalter und ist ein zentraler Aspekt beim Erwachsenwerden. Oder wie denkst du darüber? Zeit für ein Gedicht.

Interludium: Stimme der Jugend

Eine gewaltige Sprache mit gewaltigen Bildern, nicht? Vielleicht möchtest du das Gedicht noch einmal laut lesen und einige Worte und Phrasen markieren, die dir besonders ins Auge stechen und gefallen.

Denkanstöße

Harfe im März, mit mächtiger Faust
von Gott in allen Saiten geschlagen
– was für ein martialisches Bild. Die Harfe, der Prototyp des sanften Klanges, DAS Weihnachtsinstrument schlechthin, von Gott mit der Faust malträtiert? Da fragt man sich doch gleich, was da wohl für Töne herauskommen können? Schräge, schöne? Auf alle Fälle pubertierende? Denn es saust und braust, tönt und klingt, summt und singt unser Herz.

Zur Zeit der Pubertät spielen die Gefühle alle „Stückeln“, von Himmelhoch-jauchzend bis zu Zu-Tode-betrübt ist alles dabei, inklusive der ausdrücklichen und notwendigen Ich-Bezogenheit dieses Lebensabschnitts – lauscht versunken dem eigenen Widerhall: Leben will wagen. Ja, und genau das spiegeln wir Erwachsene den Kindern in dieser Zeit meist nicht. Wir sind voll im Beruf, kümmern uns um Rechnungen, dreckige Wäsche, Termine beim Zahnarzt…Laaaangweilig! Kein Wagnis! Habt ihr vergessen, dass Gott seine Tempel erbaut im Kind? – Kein Teenager kann sich vorstellen, dass auch die Eltern einmal jung und verrückt waren. Was meinst du dazu?

Und dann sieh dir in der letzten Strophe diese Gegenüberstellung an. Sie ist so absolut wie nur ein Teenager es sehen kann: Eure Welt ist grau, eure Erde tot. Unser Himmel glänzt blau, unser Blut brennt rot. -Was wollt ihr denn, ihr alten Leute, eure Welt ist tot, unsere dagegen freundlich, zukunftsverheißend und lebendig. Man hört förmlich das „Geht euch brausen, grabt euch ein!“ Gebt uns Raum für unsere Entwicklung, Raum, um unsere Träume zu leben!

Welche Gedanken kommen dir dabei? Formulieren diese Verse nicht sehr schön den Grundkonflikt zwischen Eltern und pubertierenden Kindern: Wo soll man die Grenze ziehen, wie viel Freiheit soll man dem Kind geben. Wo muss ein Traum vielleicht sogar begraben werden, weil er nicht realitätstauglich ist?

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Kategorien: Literatur