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Eine Gesellschaft in der Kollektiv-Psychose

Dr. Hans-Joachim Maaz ist Psychiater, Psychoanalytiker und Autor und arbeitete knapp drei Jahrzehnte als Chefarzt in der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik in Halle. Er war langjähriger Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Analytische Psychotherapie und Tiefenpsychologie und schrieb unter anderem die Bücher „Die narzisstische Gesellschaft“ oder „Das falsche Leben. Ursachen und Folgen unserer normopathischen Gesellschaft“ sowie das 2021 erschienene Buch „Corona Angst“.

In einem Interview mit Gunnar Kaiser äußert sich Dr. Maaz zum derzeitigen Zustand unserer Gesellschaft und schlägt Strategien vor, wie der Einzelne dem äußeren Druck standhalten könnte.

Am Scheideweg?

Alle Menschen sind klug. Die einen vorher, die anderen nachher. Die meisten nachher. Die meisten kommen erst an den Punkt, wo sie beginnen über die Zusammenhänge in ihrem Leben nachzudenken, wenn sie in Not sind, wenn Krankheit und Verlust sie trifft. Sind wir jetzt als Gesellschaft an diesem Punkt angelangt?

Laut Prof. Maaz, ja, denn wir haben uns zu einer totalitären, angstmachenden Unterwerfungsgesellschaft entwickelt. Trotz aller Beteuerungen „Nie wieder…!“ haben wir seit 1933 nichts gelernt. Wie damals – so meint er -werde ein Feind kreiert, um die eigene Schmach und Not nicht spüren zu müssen. Ein Sündenbock dient der Triebabfuhr, um die eigenen aufgestauten Gefühle wie Angst und Hass gegen die anderen, die Bösen, Schuldigen, Asozialen, Sozialschädlinge, Impfverweigerer, Covidioten, Antisemiten…. auszuleben, und dabei ist es völlig unerheblich, ob das der Wahrheit entspricht oder gelogen ist.

Die gefühlsmäßige Verankerung ist immer stärker als Vernunft. Das erklärt auch den derzeitigen kollektiven Wahn in allen Lagern und Schichten unserer Gesellschaft. Manche Menschen brauchen die Masse, weil sie dort endlich stellvertretend ihre Gefühle abreagieren können (Fußballplatz, Protestaktionen). Andere projizieren die Trauer über das eigene Leben auf den Tod bekannter Persönlichkeiten. Manche finden auch in der Religion den Ort, wo sie ersatzweise hoffen, trauern, wünschen können. Die eigentlichen Gründe, die eigenen verschütteten Gefühle, werden jedoch dadurch zugeschüttet und vergessen.

Divide et impera! Teile und herrsche!

Für die Politik sind besonders die Menschen interessant, die ihren Protest kollektiv ausdrücken. Protest ist gewünscht, damit Feinde ausgemacht werden können. Der Konflikt zwischen den Menschen wird bewusst geschürt, die „Kinder“ werden unterschiedlich behandelt, um für beide Seiten ein Feindbild zu schaffen. Damit nehmen sich die Eliten aus dem Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, ihre Handlungen, Entscheidungen, Versprechen werden nicht mehr hinterfragt, die beängstigende Zukunft ist kein Thema mehr. Der Kriegsschauplatz hat sich verlagert, es geht nur mehr um die Zerstörung des Feindes, der an allem schuld ist – und die Elite ist geschützt.

Der Soziologe Albert Biderman verfasste 1957 acht Anweisungen, wie man die menschliche Psyche bricht, die Amnesty International in einem Bericht über Folter aus dem Jahr 1973 als „universelle Werkzeuge von Folter und Zwang“ bezeichnet.

  1. Isolierung
  2. Wahrnehmung auf ein Thema binden
  3. Induzierte Entkräftung und Erschöpfung über lange Zeit
  4. Bedrohungen
  5. Gelegentliche Nachsicht
  6. Demonstration von „Allwissenheit/Allmacht“ („Faktenchecker“)
  7. Erniedrigung („Aluhutträger“)
  8. Erzwingen seltsamer Forderungen

Deshalb müssen wir uns als Bürger die Fragen stellen:

💧 Wie können wir uns diesem Zwang der Politik entgegenstellen?

💧 Wie können wir uns verständigen, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind?

💧 Wie können wir der Politik den Kriegsschauplatz nehmen?

Dr. Maaz sieht die Chance einer wirklichen Verständigung nur, wenn wir beginnen, die eigentliche Angst, die jetzt auf die äußere Corona-Situation projiziert ist, auf ihren persönlichen Gehalt zu untersuchen. Ängste aufgrund früher Beziehungsstörungen sind persönlichkeitsprägend. Wenn wir diese erkennen, können wir uns selbst besser verstehen und in Konfliktsituationen realitätsgerechter, angemessener reagieren. Dann können wir uns, wenn die äußere Situation uns triggert, sagen:

  • Ich bin so gehorsam, weil…
  • Ich reagiere so allergisch auf Einmischung, Bevormundung, weil….
  • Ich bin so im Protest, weil…

Frühkindliche Beziehungsstörungen

Als frühkindliche Beziehungsstörungen identifiziert Dr. Maaz auf der Mutter-Seite die

  • Bedrohungsangst: Die Mutter fühlt sich nicht sicher und überträgt diese Gefühle auf das Kind
  • Besetzungsangst: Die Mutter will alles von ihrem Kind wissen, will es kontrollieren, erdrückt es mit ihrer „Liebe“
  • Liebesverlustangst: Liebe wird gegeben und entzogen. Daraus entwickelt sich die narzisstische Störung
  • Autonomieangst: Die Mutter vermittelt dem Kind das Gefühl: Ich kann dich nur gern haben, wenn du so bist, wie es mir gefällt. Bleib abhängig, werde nicht autonom.

Auf Seite der Väter spricht Dr. Maaz von der

  • Entwicklungsangst: Er versteht darunter Väter, die ihre Kinder erpressen: Wenn…., dann…
  • Lebensgestaltungsangst: Passive Väter, die kein Rollenvorbild für das väterliche, gestaltende Prinzip bieten
  • Begrenzungsangst: Väter, die ihre Kinder überfordern und ihnen das Gefühl geben: Was du auch machst, es ist nie genug!

Lösung?

Um dem kollektiven Wahn zu entkommen, empfiehlt Dr. Maaz, im kleinen Kreis regelmäßig zusammenzukommen und eine andere Kultur – keine Maske, kein Abstand, offenes Gespräch… – zu pflegen. Es sei wichtig, sich nicht zum Opfer zu machen.

  1. Wir müssen uns anpassen, wobei das Gradmaß das Überleben (Arbeit…) ist.
  2. Wir müssen Widerstand leisten und uns den zum Teil absurden Anordnungen verweigern. Auch hier müssen wir abwägen: Wie viel kann ich wagen?
  3. Auch ein Rückzug nach innen, ein bewusstes Abkoppeln – so möglich – kann dazu breitragen, in dieser Situation ruhig zu bleiben.
  4. Wie in allen totalitären Gesellschaften hilft auch Subversivität, heimlich Würde zu wahren, indem man Forderungen von oben unterläuft.
  5. Wir sollten auch kleine Gemeinschaften pflegen, in denen wir uns ohne soziale Maske mit Menschen offen unterhalten können und in denen jeder bemüht ist, den anderen zu verstehen, auch wenn er nicht seiner Meinung ist. Ich darf so denken, kann das begründen, erlebe Menschen, die mich nicht manipulieren.
Kategorien: Gesellschaft